Bunt gemischt
Der Nöckergreis
Ich ging zum Wein und ließ mich
nieder Am langen Stammtisch der
Nöckerbrüder. Da bin ich bei einem
zu sitzen gekommen, Der hatte
bereits das Wort genommen.
„Kurzum“ – so sprach er -, „ich sage
bloß, Wenn man den alten
Erdenkloß, Der, täglich teilweis
aufgewärmt, Langweilig präzis um
die Sonne schwärmt, Genau besieht
und wohl betrachtet Und, was
darauf passiert, beachtet, So findet
man, und zwar mit Recht, Daß
nichts so ist, wie man wohl möcht.
Da ist zuerst die Hauptgeschicht:
Ein Bauer traut dem andern nicht.
Ein jeder sucht sich einen Knittel,
Ein jeder polstert seinen Kittel, Um
bei dem nächsten Tanzvergnügen
Gewappnet zu sein und obzusiegen,
Anstatt bei Geigen- und Flötenton,
Ein jeder mit seiner geliebten
Person, Fein sittsam im Kreise
herumzuschweben. Aber nein! Es
muß halt Keile geben. Und
außerdem und anderweitig: Liebt
man sich etwa gegenseitig? Warum
ist niemand weit und breit Im vollen
Besitz der Behaglichkeit? Das
kommt davon, es ist hienieden Zu
vieles viel zu viel verschieden. Der
eine fährt Mist, der andre spazieren;
Das kann ja zu nichts Gutem
führen, Das führt, wie man sich
sagen muß, Vielmehr zu mehr und
mehr Verdruß. Und selbst, wer es
auch redlich meint, Erwirbt sich
selten einen Freund.
Wer liebt, zum Beispiel, auf dieser
Erde, Ich will mal sagen, die
Steuerbehörde? Sagt sie, besteuern
wir das Bier, So macht’s den
Christen kein Pläsier. Erwägt sie
dagegen die Steuerkraft Der Börse,
so trauert die Judenschaft.
Und alle beide, so Jud wie Christ,
Sind grämlich, daß diese Welt so ist.
–Es war mal ’ne alte, runde Madam,
Deren Zustand wurde
verwundersam.
Bald saß sie grad, bald lag sie
krumm, Heut war sie lustig und
morgen frumm; Oft aß sie langsam,
oft aber so flink Wie Heinzmann, eh
er zum Galgen ging.Oft hat sie
sogar ein bissel tief Ins Gläschen
geschaut, und dann ging’s schief.
Sodann zerschlug sie mit großem
Geklirr Glassachen und alles
Porzellangeschirr. Da sah denn jeder
mit Schrecken ein, Es muß wo was
nicht in Ordnung sein.
Und als sich versammelt die Herren
Doktoren, Da kratzten dieselben
sich hinter den Ohren. Der erste
sprach: „Ich befürchte sehr, Es fehlt
der innere Durchgangsverkehr;
Die Gnädige hat sich übernommen;
Man muß ihr purgänzlich zu Hilfe
kommen.“Der zweite sprach: „O
nein, mitnichten! Es handelt sich
hier um Nervengeschichten.“„Das
ist’s“ – sprach der dritte – „was ich
auch ahne; Man liest zu viele
schlechte Romane.“
„Oder“ – sprach der vierte – sagen
wir lieber, Man hat das Schulden-
und Wechselfieber.“„Ja“ – meinte
der fünfte – „das ist es eben; Das
kommt vom vielen Lieben und
Leben.“„O weh!“ – rief der sechste –
„der Fall ist kurios; Am End ist die
oberste Schraube los.“
„Hah!“ – schrie der letzte – „das
alte Weib Hat unbedingt den Teufel
im Leib; Man hole sogleich den
Pater her, Sonst kriegen wir noch
Malör mit der.“
Der Pater kam mit eiligen Schritten;
Er tät den Teufel nicht lange bitten;
Er spricht zu ihm ein kräftiges
Wort:„Raus, raus und hebe dich
fort, Du Lügengeist, Der frech und
dreist Sich hier in diesen Leib
gewagt!“„I mag net!“ – hat der
Teufel gesagt.
Hierauf – –Doch lassen wir die
Späß, Denn so was ist nicht
sachgemäß. Ich sage bloß, die Welt
ist böse. Was soll, zum Beispiel, das
Getöse, Was jetzt so manche
Menschen machen Mit Knallbonbons
und solchen Sachen?
Man wird ja schließlich ganz
vertattert, Wenn’s immer überall so
knattert. Das sollte man wirklich
solchen Leuten Mal ernstlich
verbieten, und zwar beizeiten, Sonst
sprengen uns diese Schwerenöter
Noch kurz und klein bis hoch in den
Äther, Und so als Pulver
herumzufliegen, Das ist grad auch
kein Sonntagsvergnügen.
Wie oft schon sagt ich: Man hüte
sich.Was hilft’s? Man hört ja nicht
auf mich. Ein jeder Narr tut, was er
will. Na, meinetwegen! Ich schweige
still!“
So räsonierte der Nöckergreis. Uns
aber macht er so leicht nichts weis;
Und ging’s auch drüber oder
drunter, Wir bleiben unverzagt und
munter.
Es ist ja richtig: Heut pfeift der
Spatz Und morgen vielleicht schon
holt ihn die Katz; Der Floh, der
abends krabbelt und prickt, Wird
morgens, wenn’s möglich, schon
totgeknickt;
Und dennoch lebt und webt das
alles Recht gern auf der Kruste des
Erdenballes. –Froh hupft der Floh.
–Vermutlich bleibt es noch lange so.
Wilhelm Busch
1851-1907
© Copyright by Wolfgang Müller 2011-2024
Wirbelnde Flammen
ein sprühendes Etwas in
dunkler Nacht.
Die Poesie umgibt sich mit Flügeln
der Gedanken, die über allen Dingen
schweben.
(Roger Quirin)
Mit Effekten aus demselben Urbild entstanden.